In Europa ist der Umsetzungsprozess der Basel III-Rahmenvereinbarungen in vollem Gange. Die EU plant das CRD IV-Paket bis zur parlamentarischen Sommerpause zu verabschieden. Die European Banking Authority (EBA) wird im Laufe des Jahres weitere technische Standards veröffentlichen, die von den Finanzinstituten einzuhalten bzw. anzuwenden sind. Derweil mehren sich die kritischen Stimmen bezüglich Inhalt und Zeitplan.
Nach derzeitiger Planung sind die CRD IV-Anforderungen bezüglich FINREP-, COREP- und zusätzlicher Meldepflichten ab dem 1. Januar 2013 verbindlich anzuwenden. Diesen Termin hatte die EU der Gruppe der 20 führenden Industrieländer zugesagt. Der erste Melde-Stichtag soll der 31. März 2013 sein, die erste Meldung ist zum 13. Mai 2013 bei der Aufsicht einzureichen.
Dieser Zeitplan steht jedoch unter Vorbehalt. Teile des CRD IV-Reformpaketes werden noch kontrovers diskutiert. Erst im Juni 2012 sollen die finalen Regelungen feststehen. Insoweit können sich noch Änderungen für die Meldeanforderungen ergeben. Eine termingerechte Umsetzung wird durch die vielen Unbekannten und Unwägbarkeiten schwierig.
Deutsche Kreditwirtschaft übt massive Kritik am Zeitplan
Wie kritisch der aktuelle Zeitplan seitens der Finanzbranche gesehen wird, zeigte sich am Gründonnerstag im Bundesfinanzministerium. Unter Verweis auf die viel zu kurze Vorbereitungszeit boykottierten die Verbände der deutschen Kreditwirtschaft eine Anhörung zur Umsetzung der CRD IV.
Wenige Tage zuvor hatte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) in einer ausführlichen Stellungnahme zum „Konsultationspapier CP 50 zum Draft Implementing Technical Standards on Supervisory Reporting Requirements for Institutions“ die Zeitplanung in Frage gestellt. Dabei bekräftigte der BdB grundsätzlich seine Unterstützung für eine EU-weite Harmonisierung. Mit dem CP50 habe die EBA jedoch ein Konzept der maximalen Datenanforderungen erarbeitet. Da in Deutschland bisher nicht nach den COREP- und FINREP-Reporting gemeldet, sondern durch die deutsche Aufsicht eine deutlich reduzierte, auf die relevanten Risikokennzahlen beschränkte Form des Reporting gefordert wurde, sei der Umsetzungsaufwand für deutsche Institute extrem hoch. Die von der EBA angestrebte Umsetzung zum ersten Quartal 2013 sei in Deutschland daher schlichtweg nicht realisierbar. Sollten die Meldepflichten dem CP50 und CP51 entsprechen, wäre realistischerweise ein Umsetzungszeitraum von 20 Monaten notwendig.
Zusätzlich zum Zeitproblem kommt - nicht nur von Finanzinstituten, sondern auch aus Mittelstand und Kommunen - inhaltliche Kritik:
Keine wirksame Bekämpfung der Ursachen der Finanzkrise
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sieht durch die aktuellen CRD IV-Regelungen die Ursachen des Problems der Finanzkrise nicht effektiv bekämpft. So fehle bisher eine effektive Regulierung der Schattenbanken. Prinzipiell begrüße die Sparkassenorganisation „jede Anstrengung der Politik, die Finanzmärkte durch zielgerichtete Reglementierungen krisenresistenter zu gestalten“. Vor diesem Hintergrund erwartet der DSGV von der europäischen Aufsicht jedoch auch ein konsequentes Einschreiten in die Grauzone des Finanzmarktes. Des Weiteren fordert der DSGV die Politik erneut auf, den Fokus der Regulierung tatsächlich auf die Finanzinstrumente und Akteure zu legen, die die Finanzkrise ausgelöst und verschärft haben. Mit der geplanten Bankenabgabe sei aus Sicht des DSGV vor allem das klassische Bankengeschäft eingeschränkt, welches in der Finanzkrise ein Stabilisator der Kreditmärkte darstellte.
Mangelnde Beachtung der deutschen Wirtschafts-, Banken- & Finanzstruktur
Bereits im November 2011 hatten die Sparkassenverbände in einer Resolution zu Basel III die politisch Verantwortlichen aufgefordert, sich bei der Ausgestaltung von Basel III auf EU-Ebene zur Entlastung des Mittelstandsgeschäfts für die Besonderheiten der deutschen Wirtschafts-, Banken- und Finanzstruktur einzusetzen. Eine Forderung, hinter der auch die deutsche Mittelstandsvereinigung BVMW, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM), der Deutsche Städtetag (DST) sowie der Deutsche Landkreistag (DLT) stehen.
DST und DLT kritisieren insbesondere die vorgesehenen Regelungen zu den erhöhten Eigenkapitalanforderungen, bei der direkte oder indirekte Finanzbeteiligungen an Instituten vom harten Kernkapital abgezogen werden müssen. Dieses benachteilige in ungerechtfertigter Weise Finanzverbünde wie die Sparkassen-Finanzgruppe oder auch Genossenschaftsbanken. Hier müsse es Änderungen geben, damit der Wettbewerb nicht verzerrt werde.
Um den nationalen Besonderheiten der Kreditwirtschaft sinnvoll Rechnung zu tragen fordern DST und DLT, dass die CRD IV-Regen sich - wie in den Baselern Reformvorschlägen beschrieben - auf international tätige Großbanken beschränken. Bankaufsichtsrechtliche Standards für (regionale) Finanzinstitute sollten nach wie vor von den nationalen Aufsichtsbehörden erlassen werden, das heißt, das CRD IV-Reformpaket sollte statt als Richtlinie als Direktive umgesetzt werden.
Zu hohe Risikogewichte für mittelständische & kommunale Finanzierung
Ein weiterer Kritikpunkt sind die im Rahmen des Kreditstandardansatzes neu vorgeschriebenen Risikogewichte. 75% für mittelständige Kredite sei angesichts des tatsächlichen Ausfallrisikos ungerechtfertigt und würde vor allem in Zeiten konjunktureller Abkühlung unmittelbar negative Auswirkungen auf die Kreditvergabe der Finanzinstitute haben. Um dem entgegen zu wirken fordert die BITKOM eine Absenkung des Risikogewichtes für Mittelstandskredite bis € 2 Mio. auf 50%. DST und DLT regen an, dass die Risikogewichte für Mittelstandskredite an den realen Risiken angepasst und abgesenkt werden. Damit könnten ungerechtfertigte negative Wirkungen von Basel III auf die Mittelstandsfinanzierung vermieden werden.
Für Kommunalkredite sollten sich die Risikogewichte weiter an der Bonität des Zentralstaats orientieren können. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutete das aufgrund des gesamtstaatlichen Haftungsverbundes aus Bund, Ländern und Kommunen aktuell eine Beibehaltung der Null-Risiko-Gewichtung. Mit einem Null-Risiko gewichtete Kredite sollten ferner bei der Festsetzung und Bewertung der Verschuldungs-Obergrenzen von Finanzinstituten („Leverage Ratio“) nicht berücksichtigt werden. Nur so könne verhindert werden, dass risikolose, aber margenarme Ausleihungen an Kommunen durch renditestärkere, aber riskantere Kreditgeschäfte ersetzt werden und es dadurch zu einer Beeinträchtigung der Kommunalfinanzierung käme.
Erschwerung und Verteuerung der Kreditaufnahme
Der Kritikpunkt, dass die geplanten Regelungen die Kreditvergabe hemmen und für Kunden teurer machten, wird von vielen Seiten und in sehr vielschichtiger Argumentation vorgebracht. Neben der Ausweitung der Eigenkapitalanforderungen sieht der deutsche Genossenschaftsverband die neuen Liquiditätsvorschriften als Faktor. Diese würden dazu beitragen „die Kreditvergabe zu langfristigen Festzinssätzen zu beschneiden, indem sie massiv in die Fähigkeit der Banken eingreifen, Fristentransformation zu betreiben“. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken wollen sich daher dafür einsetzen, dass im Rahmen der CRD IV der langfristige Festzinskredit für die Kunden nicht teurer wird. "Das trifft den Mittelstand wie die Häuslebauer." Basel III wälze das Risiko steigender Zinsen von den Banken auf die Verbraucher ab. Diese Bedenken werden von Seiten der Bundesbank jedoch mutig entkräftet. So antwortet Frau Lautenschläger auf diese aus ihrer Sicht provokante Frage „Nein, die Kreditversorgung der deutschen Realwirtschaft ist nicht in Gefahr“.
Grundsatzstreit der EU-Länder über direkte Wirkung der CRR
Inhaltliche Kritik an der CRD IV wird auch außerhalb Deutschlands laut. Einer der wesentlichen Punkte ist dabei die Frage, ob Mitgliedstaaten individuell über die EU-Eigenkapitalanforderungen hinausgehen dürfen (sogenanntes „Goldplatting“). Dieses wird vor allem von Großbritannien, Spanien, Schweden und Estland gefordert. Dieses läuft dem Ziel der KOM entgegen, in der EU einheitliche Regelungen zu schaffen, um mit einem europäisch einheitlichen aufsichtsrechtlichen Meldewesen eine bessere Vergleichbarkeit der Marktteilnehmer zu erreichen und Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Eine Einigung steht auch hier noch aus. Festzuhalten zu diesem Punkt bleibt jedoch auch, dass die deutsche Politik hier unterschiedlicher Meinung ist und ein entsprechender Vorstoß im Deutschen Bundestag daher vor kurzem zu sehr kontroversem Echo führte.
Fazit
Die in diesem Beitrag aufgeführten Kritiken am europäischen Basel III-Regelwerk (CRD IV-Reformpaket) sind vielfältig und mit Sicherheit nur ein Auszug. In Frage gestellt werden dabei stets einzelne Punkte der Umsetzung, nicht jedoch die Sinnhaftigkeit des Gesamtpakets. Diese wird von allen Beteiligten gesehen. So stellte der amtierende Präsident des BdB im April 2012 fest, dass die Banken „gelernt haben, dass es global abgestimmte Regeln, es höhere Eigenkapitalpuffer, es ein deutlich verbessertes Risiko- und Liquiditätsmanagement und international durchsetzbare Abwicklungs- bzw. Restrukturierungsregeln für Finanzinstitute geben muss.“
Es zeigt sich jedoch, dass es für die KOM und die EBA schwer werden wird, die gesteckten Ziele in Bezug auf den vorgesehenen Zeitplan einzuhalten. Dieses gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass bei der KOM mehrere hundert Änderungsanforderungen zum CRD IV-Paket eingegangen sind. Um das Ziel doch noch zu erreichen, wird es Anfang Mai zu einer Sondersitzung der EU-Finanzminister kommen. Einziger Tagesordnungspunkt: Sicherstellung der Umsetzung des CRD IV-Reformpaketes.
Aller Unsicherheiten zum Trotz sollten sich Finanzinstitute vorerst auf den Start zum 1. Januar 2013 einstellen und vorbereiten. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist, die IT-Systeme rechtzeitig auf die erweiterten Anforderungen anzupassen. Hierdurch kann der manuelle Aufwand bei der ersten Meldungserstellung - wenn schon nicht vollständig vermieden - so doch zumindest reduziert werden.
Die iBS analysiert aktuell die anstehenden Anforderungen der Aufsicht und wird ihre Meldewesen-Produkte iBS-SRT und RR-Analyzer zeitnah nach Bekanntgabe der finalen Anforderungen durch den Gesetzgeber sowie der technischen Implikationen durch die Meldetool-Hersteller anpassen und an ihre Kunden frühstmöglich ausliefern.
Update (04.05.2012):
Großbritannien verzögert europäische Einigung zu CRD IV-Reformpaket
Auch nach sechzehn-stündiger Verhandlung konnten sich die europäischen Finanzminister am 3. Mai 2012 nicht auf die strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken einigen. Vor allem der britische Schatzminister Osborne schaltete auf stur. Der Schatzkanzler George Osborne habe dem Kompromissvorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft „noch nicht“ zugestimmt, wurde der Presse mitgeteilt. Prinzipiell hätte Großbritannien zwar überstimmt werden können, da für diese Beschlüsse nur eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist. Die EU-Kommission möchte einen einheitlichen und einstimmigen Beschluss, um „Großbritannien bei der wichtigsten Neuregelung für den Bankensektor nach der Finanzkrise nicht außen vor zu lassen“.
Der Zeitdruck für Verhandlungen wächst erheblich, denn das neue CRD IV-Reformpaket soll ab dem 1. Januar 2013 von den Finanzinstituten befolgt werden. Das Europäische Parlament will seine Position zu dem Gesetzespaket am 14. Mai festzurren. Die Verhandlungen von Rat und Parlament müssen vor dem Sommer abgeschlossen werden, damit der Zeitplan überhaupt eingehalten werden kann.
Nun sei geplant eine Einigung am 15. Mai zu erreichen, da es im Prinzip keine wirklichen Differenzen mehr gibt, sondern nur einige technische Details geklärt werden müssen. Auf die Forderung von den Briten nach national höheren Quoten für hartes Kernkapital ist der dänische Kompromissvorschlag eingegangen. Der Kompromiss sieht vor, dass die nationale Aufsicht den dort ansässigen Finanzinstituten zusätzliche Kapitalpuffer auferlegen kann. Die harte Kernkapitalquote könne zur Absicherung von Risiken aus Inlandsforderungen der Finanzinstitute um bis zu fünf Prozentpunkte erhöht werden. Hierbei können die nationalen Aufseher bei zusätzlichen Kapitalpuffern bis 3% selbstständig entscheiden, bei Werten zwischen 3% und 5% sind von der EU-Kommission, der europäische Bankenaufsicht EBA sowie von dem Risikorat der Zentralbanken ESRB das Einverständnis einzuholen. Doch es ist noch umstritten, wie weit die Eingriffsrechte der europäischen Institutionen dabei gehen dürfen.
Neu dagegen war die Position der Briten, der Gesetzentwurf weiche zu stark von den einheitlichen Vorgaben von Basel III ab und enthalte keine eindeutigen Standards für die Definition zum Eigenkapital, ganz im Gegensatz zu den ursprünglichen Basel III-Vorschlägen. Der Grund hierfür sei, dass das Basel III-Rahmenwerk für international tätige Finanzinstitute mit Aktien als Stammkapital vorgesehen ist, das CRD IV-Reformpaket jedoch auf die europäischen Besonderheiten der Rechtsformen der Finanzinstitute eingehe. So ließe die CRD IV beispielweise die stillen Einlagen der Sparkassen als hartes Kernkapital zu (siehe Art. 25 CRR).
Das politische Tauziehen sorgt damit bei den Finanzinstituten und den betroffenen IT-Dienstleistern weiterhin für Planungsunsicherheit. Damit wird von Seiten der Kreditwirtschaft der Ruf auf Verschiebung der Einführung der Regeln um 6-12 Monate sicher mit zunehmender Dauer des politischen Tauziehens lauter.
Update (15.05.2012):
Europäische Finanzminister einigen sich auf „ausgefeilten Kompromiss“ zu CRD IV
Nachdem vor zwei Wochen vor allem Großbritannien eine Einigung der EU Kommission in letzter Minute verhinderte, war das Treffen am 14.05.2012 von Erfolg gekrönt.
Die Einigung kam schneller als erwartet zustande und bedeutet für die ca. 8.000 europäischen Finanzinstitute, dass sie voraussichtlich zum 1. Januar 2013 ihre Geschäfte mit deutlich mehr und höherwertigem Eigenkapital unterlegen müssen.
Nach dem Beschluss der EU Kommission soll die harte Kernkapitalquote von aktuell zwei auf sieben Prozent steigen. Zusätzlich sollen künftig strengere Regeln gelten, was zum Kernkapital gezählt wird. Hinzu kommen antizyklische Kapitalpuffer, welche die EBA bei Bedarf kurzfristig einfordern kann. Unterm Strich addieren sich die Eigenkapitalanforderungen so auf bis zu 10,5%. Zusätzlich sollen nationale Aufschläge von bis zu 5% möglich sein. Diese würden die Anforderungen auf bis zu 15,5% erhöhen.
Noch nicht geklärt ist, welche Auswirkungen die nationalen Anforderungen auf international tätige Finanzinstitute haben werden. So stellt sich die Frage, ob nationale Aufschläge eines Staates auf die Eigenkapitalanforderungen für Konzernteile bei der Erfüllung der Eigenkapitalanforderungen in weiteren Ländern angerechnet werden können.
Ferner ist offen, ob nationale Zusatzanforderungen zu Verlagerungen von Geschäften führen werden. Zum einem ist die Verlagerung in Länder ohne nationale Aufschläge denkbar. Zum anderen bestehen Befürchtungen, dass sich Finanzinstitute aus renditeschwachen Märkten zurückziehen. Hiervon wären in Europa insbesondere die osteuropäischen Länder betroffen.
Im nächsten Schritt wird die EU Kommission das CRD IV-Regelwerk mit dem Europäischen Parlament verhandeln. Dieses hatte am Montag im Finanzausschuss einstimmig eigene Änderungsvorschläge (Regulierung von Schattenbanken und Begrenzung von Bonizahlungen) beschlossen.
Der Sprecher des EU Parlaments, Othmar Karas, hält eine Einigung bis zur parlamentarischen Sommerpause für möglich. Die zeitnahe Verabschiedung durch das EU Parlament ist dringend notwendig, um den angestrebten Termin der verbindlichen Anwendung zum 1. Januar 2013 zu halten. Offen bleibt, wie die Finanzinstitute ihre IT-Landschaft in dieser kurzen Zeit CRD IV-konform umbauen und erweitern sollen.
Autor: Henrik Neunhoeffer, Meldewesen-Spezialist, iBS AG